Historischer Tanz
Als Historischer Tanz werden alle jene Tanzformen bezeichnet, die in früheren Zeiten getanzt wurden und dann für eine gewisse Zeit ausgestorben waren. Dank einer großen Anzahl an Tanztraktaten und -schriften seit dem beginnenden 15. Jahrhunderts ist es möglich, die Entwicklung der Europäischen Choreographie für alle Epochen nachzuvollziehen und auch heutzutage in Opernaufführungen und Konzerten als Publikum, aber auch in Workshops und historischen Bällen als aktiv Tanzende wieder zu erleben. Die verschiedenen Jahrhunderte zeichnen sich durch sehr unterschiedliche Stile und Entwicklungen aus, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einer immer größeren Ausdifferenzierung der Forschung und der Tanzpraxis geführt haben, wodurch sie jeder Tänzer und jede Tänzerin mehr oder minder auf seine Epoche(n) spezialisieren muss. Für mich ist dies der Zeitraum etwa von 1450 – 1750, der drei wichtige Epochen umfasst:
Frührenaissance
Im Italien des 15. Jahrhunderts findet sich mit Domenico da Piacenzas „De arte saltandi“ (Abb. 1) das erste Tanztraktat der Geschichte, nach dem sich Tänze sowohl mit ihrer Musik als auch mit ihrer Choreographie (Abb. 2) rekonstruieren lassen. Seine beiden Schüler Guglielmo Ebreo und Antonio Cornanzano verfassten ihrerseits Tanzbücher, von denen eine Reihe von Manuskripten erhalten sind. Zusammen mit anonymen Sammlungen sind somit über 100 Choreographien des 15. und frühen 16. Jahrhunderts für uns wieder erlebbar. Die Musik steht noch in der spätmittelalterlichen Tradition der Polyphonie, aber vor allem in den als „Balli“ bezeichnenden Tanzwerken sind schon deutlich Melodien zu erkennen. Die Choreographien erfordern 2 bis 10 TänzerInnen. Die Tanztechnik ist noch relativ einfach und umfasst eine überschaubare Anzahl an verschiedenen Schritten, erfordert allerdings ein sehr geschultes Gehör mit seinen komplexen, polyphonen Rhythmen und viel Übung im Ausdruck. Neben den italienischen Quellen hat sich um 1500 noch ein Korpus an franko-flämischen Tänzen in Form der burgundischen Bassedanse (Abb. 5) erhalten, einem Tanztyp, der damals in ganz Europa verbreitet war.
Spätrenaissance
Ab etwa 1530 schweigen die Quellen für einige Jahrzehnte. Mit Fabrizio Carosos „Il Ballarino“ (Abb. 6), 1581 in Venedig gedruckt, zeigt sich am Ende des Jahrhunderts ein völlig verwandelter Stil, der sich durch eine hohe Virtuosität an Sprüngen und Fußarbeit (Abb. 7) mit einem gleichzeitig sehr ruhig gehaltenen Körper in der Ästhetik der ‚Sprezzatura‘ (‚Nachlässigkeit‘) auszeichnet. In den nächsten Jahrzehnten, alle in mehr oder minder deutlicher Abhängigkeit von Caroso, erscheinen bis circa 1630 eine Reihe von Traktaten, die eine Vielzahl an rekonstruierbaren Tänzen mit Musik in Lautentabulatur enthalten. Die Grundlagenschritte beruhen zwar auf dem Tanz des vorhergehenden Jahrhunderts, sind aber erweitert durch eine fast unübersehbare Zahl teilweise hoch virtuoser Schrittkombinationen, die vor allem den athletischen männlichen Tänzer in den Mittelpunkt rücken. Die meisten Choreographien sind für ein Paar (Abb. 8). Daneben finden sich aber auch Tänze für 3 oder 4 TänzerInnen (Abb 9, 10). Italien bleibt vorerst das modernste Tanzland Europas. Dort professionalisiert sich der Tanz langsam, es treten zum ersten Mal Berufstänzer auf, die oftmals an den Höfen als Lehrer, Choreographen und Darsteller in Hoffesten tätig sind. Neben der italienischen Dominanz findet sich allerdings schon mit Thoinot Arbeaus „Orchésographie“ von 1589 das erste wichtige Tanzwerk der Französischen Schule.
Barock und Rokoko
Im 17. Jahrhundert übernimmt Frankreich im Zuge des aufkommenden Absolutismus wie in fast allen Bereichen von Kultur und Gesellschaft auch im Tanz die Vorreiterrolle. 1661 gründet Ludwig XIV. in Paris die erste professionelle Tanzakademie, die bis heute in Verbindung mit der Oper von Paris existiert. Die Technik entwickelt sich weiter und erfordert von den TänzerInnen eine immer kompliziertere Ausbildung, die dazu führt, dass die Höflinge ihre gesamte Kindheit und Jugend hindurch ein oftmals tägliches Tanztraining (Abb. 12) durchlaufen, bevor sie das erste Mal offiziell vor dem Hof tanzen können. Der Tanz rückt dabei ganz in Zentrum höflicher Repräsentation. Im sogenannten „Ballet de Cour“ entsteht das Ballett als theatrale Gattung, deren Entwicklung im Klassischen Tanz des 19. Jahrhunderts mündet. Pierre Beauchamp, der Tanzmeister des Königs, legt die „Fünf Positionen“ der Fußstellungen (Abb. 13) und der Armbewegungen fest, 1700 erscheint mit Raoul-Feuillets „Chorégraphie“ (Abb. 11) in Paris die erste abstrakte Tanznotation, in deren Folge hunderte von Choreographien für den Ball und die Bühne in fast allen Ländern Europas aufgeschrieben und gedruckt werden, so dass sich in den ersten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine große Zahl rekonstruierbarer Tänze in dieser Notation finden. Gesellschaftstänze sind fast immer auf ein Paar beschränkt. Im Bühnentanz finden sich aber auch sehr viele Soli (Abb. 14), die den weiter sich professionalisierenden Tänzern bzw. Tänzerinnen eine enorme Technik abverlangen mit einer Vielzahl an Sprüngen, Kapriolen, Pirouetten (Abb. 15) und so weiter. Einige notierte Ensembletänze geben einen Eindruck von der Komplexität und dem Aufbau des höfischen Balletts. Mit der Verbürgerlichung großer Teile der Gesellschaft trennt die Entwicklung des Tanzes im Laufe des 18. Jahrhunderts die nach wie vor gut ausgebildeten Laien von den Professionellen, mit dem „Ballet en Action“ entsteht auf der einen Seite eine Vorform des klassisch-romantischen Handlungsballetts, auf der anderen Seite wird der Gesellschaftstanz nach dem Tode Ludwigs XIV. 1715 deutlich technisch anspruchsloser und in der Ästhetik des aufkommenden Rokoko verspielter und bezieht auch Gesellschaftsschichten ein, die nicht über die Zeit und die Mittel einer vieljährigen Tanzausbildung verfügen. Die Grundlagen wie die Fünf Positionen bleiben allerdings für beide Tanzrichtungen die gleichen. Und selbst nach dem Ende der französischen Vorherrschaft im 19. Jahrhundert bleibt das Französische die Sprache des Tanzes und Paris das Zentrum der Tanzausbildung sowohl im Bühnen- wie im Gesellschaftstanz.
Tanzauftritte
Sehr gerne gestalte ich als Tänzer verschiedene Formen von Auftritten, wie etwa Konzerte oder auch Theaterformen mit Tanz. Im Bereich der Barockmusik lassen sich Soloprogramme realisieren, für Konzerte mit Renaissancemusik empfiehlt sich hingegen die Gestaltung eines Programms mit mindestens 1 – 2 Paaren. Mein Repertoire umfasst eine Vielzahl von Choreografien, unter denen sich für fast jeden Anlass etwas finden lässt. Sehr gerne entwickele ich auch in Zusammenarbeit neue Programme und choreographiere für spezielle Anlässe. Aufführungen siehe Aktuell.
Workshops, Pädagogik und Coaching
Seit 2001 unterrichte ich Historischen Tanz im In- und Ausland mit den Schwerpunkten Renaissance und Barock in Form von Workshops, regelmässigen Klassen, Ballvorbereitungen u.s.w. Ich habe Erfahrung im Bereich der Jugendbildung (2007 – 2014 Unterricht des Barocktanzes am KinderTanzTheater Berlin-Brandenburg; diverse Workshops an Gymnasien und Musikschulen im Rahmen des Musikunterrichts und von Projektwochen) und der Erwachsenenbildung sowohl für Amateure wie professionelle TänzerInnen, MusikerInnen und SängerInnen. Seit 2012 habe ich einen festen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ (Berlin). Workshops reichen von mehrstündigen Minikursen bis hin zu mehrwöchigen Summerclasses. Ein weiterer Bereich der Arbeit sind Coachings für zeitgenössische Tanz- und Performancegruppen (u.a. „Nico and the Navigators“, „Happy Systems“) oder Opernproduktionen (u.a. „La Incoronazione di Poppea“. Inszenierung: Lorenzo Fioroni). Darüber hinaus sind auch Privat- und Einzelstunden möglich. Für zukünftige Workshops siehe Kalender Workshops.
Compagnie l‘espace
2006 erfolgte die Gründung der Compagnie l’espace – einem Spezialensemble für den barocken Tanz des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Compagnie besteht aus einer internationalen Gruppe gut ausgebildeter Amateure, semiprofessioneller und professioneller TänzerInnen, die in wechselnden Konstellationen in verschiedenen Programmen, Konzerten und Opernaufführungen auftreten. Die Zusammenstellung erfolgt dabei jeweils nach Anlass, Umfang und Budget. Die Compagnie kann über ihre eigene Homepage gebucht werden und gestaltet gerne Beiträge für Feste, Events und Konzerte. In Opernaufführungen treten jeweils die professionellen TänzerInnen auf, die sich aus SpezialistInnen aus dem In- und Ausland zusammensetzen.
Ball-Leitung
Gerne leite ich Historische Bälle, entweder mit begleitenden, vorangehenden Workshops oder aber auch mit einfachen Tänzen zum direkten Mittanzen. Hierfür empfiehlt sich besonders Livemusik. Für Veranstaltungen lassen sich auch kombinierte Programme aus Aufführungsblöcken und einem oder mehreren Tänzen zum Mitmachen zusammenstellen.
Anfragen jeglicher Art, ob nun für einen Auftritt oder Workshop, bitte über das Kontaktformular.